Text zu Be Deeper! wn 24 für großes Orchester

Be Deeper! ist ein ca. 13minütiges Werk für großes Orchester, entstanden im Winter ‘93/‘94 während meiner Studienzeit in Stockholm. Es ist der Form nach dreiteilig: Blockhafter Satz und ebensolche Instrumentierung – Motivische Verdichtung über einem rhythmischen Ostinato, zerfließende Zitate – und wieder Blocksatz. Die Formteile sind durch ausgedünnte Passagen  kammermusikalischen Charakters miteinander verbunden, einmal komponiert, einmal vom Orchester nach Anweisung improvisiert.

Eingeflossen sind die mannigfachen Eindrücke jener Monate, bisher unbekannte und im Hintergrund der Wahrnehmung aufgenommene akustische Ereignisse. Neben der Freiheit und Weite, die darin liegt, dem Gewohnten fern zu sein, gab es viele konzentrierte Gedanken an bestimmte Ereignisse „zuhause“.

Be Deeper! – Sei inniger! Dringe tiefer in die Dinge ein! Wähle dazu einen höheren Ausgangspunkt für deine Betrachtungen! Mache dich weiter!
Während der Arbeit wurde mehr und mehr der Gedanke lebendig, einen Apell diesen Inhalts zu formulieren. Adressaten? Es gab einen bestimmten, gleichzeitig gab es viele, der Apell galt auch mir selber.

Es ist der Apell, mehr Verbindungen herzustellen. – Der schneegedämpfte Klang zweier S-Bahn-Züge begegnet einem Orgelpraeludium von J. S. Bach und der Leningrader Sinfonie von Schostakowitsch. – Der Glaube an die im Ausgangspunkt verborgene gemeinsame Identität aller Dinge gibt uns einen warmen Platz am Lebensfeuer. Die ursprünglich gemeinsame Identität von Natur und Geist erschließt uns auch die Möglichkeiten, das unendlich identische in einem endlichen künstlerischen Werk zu dokumentieren. Universelle und unzensierbare Kraft kann sich mit heller Absichtlichkeit verbinden.

Text zu Pastorale wn 43 für Bariton, Flöte, Violoncello und Klavier
(Vertonung des Goethe-Textes „Wanderes Nachtlied – Ein Gleiches“)

Was ist es?

Über … Ist Ruh‘
… schweigen …
… kaum … Hauch
Warte … balde … du auch.

Vielleicht ist es nur ein Schlaflied…

Warum fällt mir dann
unmittelbar Johannes Brahms‘
Requiem
ein: “Denn wir haben hier keine bleibende Statt”?
Ich zitiere die marschhaft feierliche Stelle im Stück.
Der Text beschwört Rückverbindung – religio.
Mit diesem Text wird es unbedingt geistliche Musik.

Ich bin
Nicht eigentlich ruhig
dort wo ich kaum einen Hauch spüre.
Vielmehr
warte ich  gespannt,
wandere
innerlich auf die Ruhe,
auf den Hauch,
auf das Über zu,
das ich nicht kenne, von dem ich nicht weiß, ob es ist.

Auch das Innsbrucklied
des Heinrich Isaak wird zitiert:
“Ich fahr dahin mein Strassen
in fremde Land dahin. …”

Nicht der schweigende Ort nimmt auf – das Über nimmt auf.

Text zur Psalmkantate “Nähme ich Flügel…” wn 54 für Soli, Chor und Orchester

Wie kam es zur Komposition der Kantate?
Ein Auftrag der vocapella und ihres künstlerischen Leiters Marcus R. Bosch. Vielen Dank dafür! Eine bessere Art, neue Kompositionen zu fördern, ist kaum zu denken. Der Auftrag kam im Herbst letzten Jahres [2000] und seit April habe ich intensiv, also täglich eine bestimmte Zeit daran gearbeitet.

Wer hat den Text ausgewählt?
Hier hatte ich freie Auswahl unter den Psalmen und habe mich für einige Verse aus dem 139. entschieden. Der Autor scheint die grossartige Erfahrung persönlich gemacht zu haben: “Wie ich mich auch immer entscheide, welchen extremen Weg ich auch immer gehen muss – solange ich mich nicht ausdrücklich gegen Gott entscheide, bleibe ich in seiner Hand und mein Weg wird im Moment größter Dunkelheit erleuchtet werden”.

Ist es moderne Musik geworden?
Wie anders, sie wurde ja soeben geschrieben.

Auch modern in stilistischer Hinsicht?
Nein, nicht in diesem Fall. Die meisten Errungenschaften der bedeutenden Komponisten, Musiktheoretiker und Kulturphilosophen besonders aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts finden in dieser Arbeit keinen Niederschlag, obwohl sie mir sehr wertvoll sind und in viele meiner sonstigen Kompositionen unbedingt einfliessen.

Warum wurde die Gelegenheit,
eine stilistisch wirklich zeitgemässe Kirchenmusik zu schaffen, nicht genutzt?
Es kam so, daß ich mir während des Arbeitsprozesses unentwegt eine bestimmten Hörergruppe vorgestellt habe – eine religiös orientierte Hörergemeinde, die eine verbindende Empfindung in der Musik erfahren möchte – und gewissermassen ungefragt Rücksicht genommen habe. Natürlich biete ich diesem Hörerkreis auch neue Hörerfahrungen an, aber eben in einem begrenzten Umfang.
Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, daß das Dur-Moll-tonale System die Musik “verklebt”, sie Ihre Durchsichtigkeit verlieren lässt und verhindert, daß Komponist und Hörer wirklich auf den Klang an sich achten können. Dem steht die Tatsache entgegen, daß dieses System seit Jahrhunderten die Hörgewohnheit bestimmt, und sich neue Systeme nicht wirklich durchgesetzt haben.

Gibt es überhaupt Kirchenmusik in schwerer verständlicher Ausprägung?
Oh, ja. Hier nur drei von vielen Hörempfehlungen: Igor Stravinsky: Psalmensinfonie, György Ligeti: Requiem, Olivier Messiaen: La Nativité du Seigneur. Es lohnt sich wirklich, dort zu suchen.

Kunst und Kirche, geht das zusammen?
Es gibt unzählige Berichte über Konflikte zwischen Künstlern und Geistlichen, wobei sich die ersteren immer wieder gegen die Meinung der letzteren zur Wehr zu setzen haben, die Kunst suche nichts als eigene Ehre, verunsichere die Menschen und habe in der Kirche nichts zu suchen. Wir sehen: “Kunst und Kirche” bleibt schwierig. “Kunst und Gott” passen dagegen wohl ausgezeichnet zueinander.

Wie ist das gemeint?
Kunstfeindliche Kirche – kunstfreundlicher Gott?
Ob Gott ein Kunstfreund ist, kann ich nun wirklich nicht wissen – ich nehme es aber an.
Lieber stelle ich eine neue Frage: Wie gibt der Mensch Gott am besten die Ehre? Er tut es, so glaube ich, indem er sich der Geschenke Gottes würdig erweist und mit den persönlichen Gaben Gottes wuchert, damit arbeitet und verantwortlich umgeht. Wer seine Gabe entwickelt und einsetzt, ehrt seinen Schöpfer auf das Beste und wird möglicherweise der, als den Gott ihn gemeint hat. Wo auch der Künstler so arbeitet, passen Kunst und Gott wohl gut zusammen.
Wer dann noch bedenkt, daß Gott immer mehr zu gehorchen ist als den Menschen, der wird auch einer Verunsicherung, einem “Wachwerden” durch das Kunsterlebnis nicht abgeneigt sein.
Dass die Kirche mit dem Künstler in Konflikt gerät, liegt daran, daß sie ihren Gottesdienst als eine Feier begehen will, die sinnliche Erlebnisse braucht, und sich dazu der gestalteten Welt in Form von Klang, Bild und Raum bedient. Die Kirche wünscht also bisweilen, die Kunst zu besitzen, zu benutzen und den Künstler zu lenken.
Hierzu sei kurz gesagt: Der Kirche ist diese Lenkung eher nicht zu gestatten, sie ist zweifelsfrei nur dem Schöpfer selbst erlaubt.

Text zu HIMMELSKLISCHEE wn 56 für Harfe und elektroakustische Zuspielung

HIMMELSKLISCHEE ist eine kurze Hörepisode, die versucht, zwei den meisten Menschen geläufige Himmelsideen zu verbinden.

Der eine denkt an mit Harfen musizierende Engel, auf Wolken sitzend, dazu erklingt fernes Glockengeläut. Ein anderer fühlt sich mit periodisch und in ewigem Zyklus wandernden Himmelskörpern zu Hause.

In HIMMELSKLISCHEE erscheinen die an sich vertrauten Klangereignisse Harfenton und Glockenschlag sphärisch enthoben oder zu Klangwolken verdichtet und in durch bestimmte Zahlenproportionen organisiertem Zeitabstand. Die so entstehende Gleichzeitigkeit von Verlangsamung und Beschleunigung – das Wahrnehmungsvermögen übersteigend – will die eigentliche Unergründlichkeit des Begriffes Himmel unterstreichen.

Notizen zu NAILS – Klanginstallation in einer Gartenanlage (Overbeck-Gesellschaft Lübeck)


nagel

bild
des verschwindens von kraft und energie
der empfindlichkeit gegen mangelnde konzentration
der unzähligen vergeblichen aufwendungen in der geschichte, dinge
wirklich
zu verbinden

bild
des fremdkörpers, eingefügt, zu halten
des scheinhaften und austauschbaren
des hoffnungsvollen versuches

klang
der periodisch eingesetzten kraft
der fremdheit und härte,
mitunter sphärisch enthoben
der assoziierbaren nähe von natur,
specht, wasser, wetter,
beschleunigung im fall, stein


Ausführung:
Alle Klänge – außer dem der gelegentlich erklingenden Gitarre – entstehen aus einer kurzen Tonaufnahme (sample) eines Nagels, der in Holz eingeschlagen wird. Das sample wird auf verschiedene Arten bearbeitet – vervielfacht, verhallt, transponiert, …
Variierende Anordnung der Klänge auf drei CD’s.
Verschiedene Teile aus einem handelsüblichem Kanalrohrsystem – gereinigt, grundiert, lackiert, mit Füßen versehen …
Einbau der Schaltungen aus einem Verstärker, Lautsprechern, CD-Spieler, Bewegungssensor, Zeitgeber …
Verzögerte Auslösung der Wiedergabe durch jede Bewegung im Sensorbereich.

[Dank an Manfred Borkowski und Tobias Wünsch für Ideen und Hilfe bei der technischen Umsetzung der NAILS. Dank an die Reinhold Jarchow Stiftung für die Förderung der NAILS.]

Text zu Johannes Brahms – Ein deutsches Requiem (Bearbeitung/Reduktion) wn 64
(Vorwort zur Partitur)

Das Werk 45 Johannes Brahms‘ wird mit dieser Umarbeitung der Orchesterstimmen für eine Sinfonietta in klanglicher (und ökonomischer) Hinsicht aufführbar für Chöre der Stärke von 25 bis 50 Personen, ohne dass dabei auf die entscheidenden Instrumentalfarben verzichtet werden müsste.

Anzumerken ist, dass an die Instrumentalisten einer etwaigen Aufführung dieser Bearbeitung eine außerordentlich hohe Anforderung gestellt wird. Gefordert ist die rein körperliche Ausdauer – es gibt weit weniger Pausen – ebenso wie die kammermusikalische Verständigungsnotwendigkeit der kleinen Besetzung.

Jede Bearbeitung, zumal solchen Umfanges, ist auch eine Neuedition. Zugrunde liegt die bei der Edition Peters erschienene Partitur des Requiems. Der Autor hält sich selbstverständlich streng an den Notentext, präzisiert aber dynamische Zeichen und Phrasierungen. Gelegentlich werden den Streichinstrumenten bogentechnische Lösungen angeboten. Die Chornotierung wird in wenigen Details aktuellen Editionsrichtlinien angeglichen. Ein neues Aufführungsmaterial für Chor und Gesangssolisten ist nicht erforderlich.

Es ist mir wichtig, meinen höchsten Respekt der Komposition Johannes Brahms‘ gegenüber auszudrücken. Wie jedes Werk ist auch dieses an sich unantastbar. Dass ich mir dennoch eine Bearbeitung gestatte, rührt zunächst von einer intensiven Beschäftigung mit den Finessen des Brahmsschen geistlichen Komponierens her. Weiterhin ist mein Arbeiten mit Brahms motiviert durch die noch subjektivere und ganz persönliche Transzendenzerfahrung mit dem Requiem.
Dresden, 8. März 2005

Nachdem die vorliegende Partitur im Minoritensaal zu Graz erstmals erprobt und aufgeführt* werden konnte, liegt nun eine revidierte und um einige Details ergänzte, zweite Fassung vor. Bei der Revision waren die von Franz Jochum und den Dirigierstudenten der Klasse Johannes Prinz an der Kunstuniversität Graz gesammelten Erfahrungen und sorgfältig dokumentierten Errata von unschätzbaren Wert.
Dresden, 29. September 2005

Besetzung
1 Flöte
1 Klarinette in B
1 Fagott
1 Horn in F
1 Trompete in B
1 Tenor-Bass-Posaune
Pauken
2 Violinen
1 Viola
1 Violoncello
1 Kontrabass
(Die Streicherbesetzung kann bis auf 4-4-3-2-1 erweitert werden)

Sopran solo
Bariton solo
Chor (Sopran, Alt, Tenor, Baß)

* (22. April 2005 / Sung-Eun Heo, Sopran / Mirhadi Rozat, Bariton / Instrumentalensemble der Kunstuniversität Graz / Chor „mondo musicale“ und Studierende / Leitung: Antonio Lizarraga-Lopez, Markus Zwitter, Won-Gu Hwang / Projektleitung: Mag. Franz Jochum)

Text zu Brief an den Vater wn 69, Meditation für Kammerochester nach einem Brief von W. A. Mozart.
(Einführung im Programmheft)

Es gibt einen Auftrag von Gerd Müller-Lorenz für die Zusammenarbeit der Ensembles Sinfonietta Baltica und Choranima Nova: Schreibe uns ein Stück für unser Mozart-Programm; eine Ergänzung weniger als einen Kontrapunkt zum Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart.

Das Requiem ist eine der zahlreichen „besten“ Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart. Zahllose Hörer, Rezipienten und Liebhaber halten es für die hochwertigste seiner Kompositionen; viele glauben, es sei die beste Komposition aller Zeiten.

Zudem ranken sich Histörchen darum: Man sei im Bunde gewesen mit… man habe sich leiten lassen von… Tatsächlich: Es ist ein erschütterndes Werk. Und da soll ich…?

Ein Freund macht mich aufmerksam auf diesen besonderen letzten Brief Mozarts an seinen Vater. Wien, vierter April siebzehnhundertsiebenundachtzig. Der Vater stirbt acht Wochen später in Salzburg. Hier schreibt er einmal nicht als der unstete, stets eilige Quatschkopf: Es sei der Tod der Endzweck unseres Lebens. Er selbst habe sich „mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen schon so bekannt gemacht, das sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für [mich hat]“ ihn habe, „sondern recht viel beruhigendes und tröstendes!“. Er habe den Tod, obwohl im Angesicht seiner eigenen Jugend, als den Schlüssel zu wahrer Glückseligkeit kennen gelernt. Der Brief drückt vor allem Einsamkeit aus. Immerhin findet Mozart hier Worte für an sich unaussprechliches, unbekanntes, jenseitiges, ohne zu überzeichnen oder sich schwärmerisch zu versteigen.

So ist auch meine Arbeit, angeregt durch diesen Brief, ein Versuch, Sprache zu finden – wie ein Schiffbrüchiger hoffnungsvoll versucht, einen Strand zu erreichen. Während der Komposition fügt es sich so, dass mein eigener Vater verstirbt. Zutiefst beeindruckt erlebe ich selber den Tod eines nahen und äußerst vitalen Menschen nicht etwa als „Endzweck“, sondern mit großer Deutlichkeit als Übergang, als Überschreiten einer schon vorher mit Neugierde betrachteten Grenze. Auch für mich verliert der Tod den Schrecken und zeigt mir sein tröstendes Gesicht.

„Brief an den Vater“ ist ein Werk von etwa 10 min. Dauer und mit elegischem Grundausdruck. Immer wieder ruht es anfänglich in Momenten des Innehaltens, um später sich der unweigerlichen Lebensmotorik wieder zu erinnern. Es spielt mit einigen herausragenden Werten des Klassikbegriffes: Periodizität, Motivik, Natürlichkeit des Atems – und es bekennt sich zu einer Ästhetik der gestalteten Formulierung und „Verschönerung“. Vorgesehen ist die Aufführung eingebettet in das Requiem zwischen Agnus Dei und Communio.

p.s.
Kennen Sie den „Brief an den Vater“ von Franz Kafka? Eine bittere Abrechnung – sehr lesenswert, aber ohne Zusammenhang zur heutigen Uraufführung …
Dresden, 22. August 2006

Entwurf eines Sprechtextes zu IN MODO . . . (eine BACH-Szene), wn 73

Mit Bach, um Bach zu komponieren, ist so schwer, mühsam und was bringt es? Nichts weist so sehr über ihn hinaus wie er selber. Interessiert sich jemand für die gigantomanischen B-A-C-H Fieber-Fantasien von Liszt und Reger? Ein Organist übt lange daran . . . Weit besser die respektvollen, unerhörten und kaum auffindbaren Reihenzitate der Anton-Webern-Welt . . . Wenn ich das aber nicht will, warum wimmelt es dann im zweiten Satz trotzdem so unverborgen von den kleinen Namens-Kreuzmotiven?

Beinahe eine Theaterszene:

I. Satz – estatico
Ein frischer Tag, Anfang Mai 1747: Bach erhält von Friedrich das Sogetto, das königliche. (Es ist ein vollkommen anderes, als jenes, das wir kennen). Und wider Erwarten bringt es Bach an den Rand der Verzeiflung. Es enthält alle Töne der chromatischen Skala (In dem, das wir kennen, fehlt immerhin einer). An sich kein Problem: über das Komponieren mit allen 12en hat er schon längst nachgedacht. Aber die Anordnung, die Phrasierung, alles Murks, ein vergurkter Unsinn in seinen Augen. Noch peinlicher wird alles dadurch, dass der ach so hochgebildete und unantastbare König ihn, dem gealterten tapsigen Sachsen, dadurch ehrt, dass er seinen Namen, das längst ausgelaugte B-A-C-H einbaut . . . 
Schon die verlangte Improvisation vor dem König enttäuscht und drückt nur seinen Unmut und seine Verunsicherung aus . . . Er stockt, verfällt in läppische Phrasen . . . Oh, weh. Und Carl Philipp schaut zu . . .

II. Satz – contemplativo
Später nun, am Stehpult daheim in Leipzig – die Reise war nervtötend – keine Besserung in Sicht.
Mit dem Zeug ist aber auch gar nichts anzufangen.
Er versucht, sucht Einsatzzeitpunkte, Beantwortungen, kosmische Kontrapunkte, erdenferne Zwischenspiele. Haah! Wahn! Die Perücke staubt!
Hineingesteigert in das bevorstehende Versagen,
festgefahren in einem formalistischen Kreisverkehr dämmert er hinüber . . . . . .  INDIEN . . .

Text zu EXODUS wn 84, Oratorium für Sprecher, Soli, Chor und Orchester
nach 2. Buch Mose in 9 Bildern und 21 Teilen.
(Textbuch nach 2. Buch Mose und vom Komponisten)

Grundgedanken zum Oratorium EXODUS (aus dem Exposé, 02.2018)
Mit der ersten Textzeile „Hier sind wir!“ greift das Oratorium das Motto „Hier bin ich!“ des Internationalen Jugendtages der Neuapostolischen Kirche 2019 auf. Konkret kommt hier die mühsam errungene, aber letztlich doch vertrauensvolle Bereitschaft des Volkes Israel zum Ausdruck, die Knechtschaft hinter sich zu lassen und einer Verheißung zu folgen. Auch nach dem hoffnungsvollen Aufbruch muss die zweifelnde Menge immer neu ermutigt werden. Wolken- und Feuersäule, Rettung vor Verfolgung im Meer, Versorgung in der Wüste, all das stellt das Volk nie ganz zufrieden – immer neu muss es von Mose, mehr oder weniger sanft, auf das Ziel hingewiesen werden. Die Geschichte des Auszugs, der Flucht und der Ankunft am Sinai, niedergelegt im 2. Buch Mose, birgt von Anfang bis Ende eine Menge Symbole, die leicht in unsere Zeit übertragen werden können:

  • Knechtschaft macht unfrei, gibt aber auch bequeme Sicherheit
  • Wer aufbricht zum Ziel, muss Vertrauen haben
  • Wie oft muss Gott seine Treue beweisen?

Stilistische Ausrichtung des Oratoriums
Text und Musik werden unmittelbar verständlich und gut erlernbar angelegt, versagen sich aber einem populären Stil. Die Unterhaltungsmusik der 1960er bis 1990er Jahre, die sogenannte Popmusik also, ist zu kommerzialisiert und in Ihrer Bedeutung zu sehr belegt und verbraucht, als dass sie als Ausgangsmaterial für im weitesten Sinn geistliche und neu komponierte Musik dienen könnte. Ein Oratorium kann als eine geistliche Oper gesehen werden, also durchaus anregend unterhaltend, aber dennoch nicht auf Unterhaltung und Zerstreuung in erster Linie bedacht sein. Die Musik ehrt Gott als den Schöpfer der Gaben, bestenfalls entsteht sie in Geist und Wahrheit und ist neu und unverbraucht.

Formale Anlage
Das Oratorium gliedert sich in neun Kapitel, eher noch in „Bilder“, die angelehnt sind an die zentralen Ereignisse und schicksalhaften Wendepunkte auf dem Weg des Volkes Israel. Die einzelnen Bilder enthalten

  • rein instrumentale Anteile, die in die Atmosphäre einführen oder überleiten
  • erzählende Anteile, ausgeführt von einer/m Sprecher/in, instrumental ergänzt
  • impulsive oder kontemplative Choranteile mit Orchester oder a cappella
  • Gesangssoli (Statements von Einzelpersonen der Handlung) mit Orchester

Besetzung
Das Orchester ist mit klassischem Bläsersextett (2 Fl. / Ob. / Klar. / Fag. / Horn), ergänzt durch Trompete und Posaune klein besetzt. Hinzu kommen Pauken und Schlagwerk, Klavier und eine 8er Streicherbesetzung (8/6/4/3/2). Des Weiteren ist eine Sprechstimme (verstärkt) sowie eine männliche und eine weibliche Sologesangsstimme mit Bariton und Sopran zu besetzen.

Auftraggeber für das etwa einstündige Oratorium ist der Junge Chor der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland, namentlich Frank Ellinger als Leiter des Chores. Bei der Uraufführung am 31.05.2019 in Halle 5 der Messe Düsseldorf wirkten mit: Kammerorchester der NAK Stuttgart, Birgit Müller (Einstudierung), Moritz Betsch (Sprecher), Alies Züfle (Sopran), Andreas Natterer (Bariton).